Warum wird Gamification im REGRAMM Projekt untersucht?
In regulären Experimenten ist es leider oft der Fall, dass die zu bewältigenden Aufgaben nicht sehr ansprechend sind für viele Kinder. Dies führt dazu, dass die zu messenden kognitiven Fähigkeiten nicht ordentlich gemessen werden können, da ein "langweiliges" Experiment zu Unaufmerksamkeit sowie wenig Motivation führt, wodurch die Kinder nicht mehr ihr Bestes geben beim Bearbeiten der Aufgaben. Wegen dem fehlenden Spaßfaktor machen die Kinder dann auch eine negative Erfahrung mit der Teilnahme an einer Studie. Um dem entgegenzuwirken wird Gamification verwendet, mit dem Ziel Langeweile zu bekämpfen, Teilnahme anzuregen und ein positives Erlebnis zu gestalten. Gamification (oder auch "Gamifizierung"/"Spielifizierung") ist die Anwendung von spieltypischen Elementen in spielfremden Zusammenhängen, die sowohl digital als auch analog sein können.
In diversen Bereichen wird Gamification bereits erfolgreich angewendet. Im Bildungswesen, Marketing und in wissenschaftlichen Studien haben sich durch Gamifizierung positive Effekte gezeigt. Beispielsweise konnten in einer Studie im Kontext von gamifizierten Unterrichtsstunden bessere Lernergebnisse erzielt werden, als im regulären Unterricht, da diese zu einer verbesserten Beibehaltung von Informationen beitrugen1. Außerdem ist Gamification auch nützlich im Bereich Gesundheit, da hier zum Beispiel beim Beobachten der Ernährung gesundes Verhalten durch ein Belohnungssystem angeregt werden kann. Sogar im Arbeitsfeld kann Gamification zur Ausbildung von Angestellten, zur Auswertung und zur Produktivität beitragen2. Es gibt potenziell sogar Anwendungsmöglichkeiten im medizinischen Bereich, zum Beispiel zur Diagnose und Behandlung psychischer Zustände wie ADHS und Zwangsstörungen.
Im Kontext wissenschaftlicher Studien erweist sich Gamifizierung als nützlich durch die verbesserte Motivation und Teilnahme, welche die Qualität der gesammelten Daten erheblich erhöht1,3. Nicht nur ist die Qualität besser, die Erhebung der Daten wird ebenfalls vereinfacht. Zusätzlich verbessert sich die Validität der Studie, da die Ergebnisse des Experiments eher generalisierbar werden für das Alltagsgeschehen3. Durch die positive Erfahrung mit einer wissenschaftlichen Studie wird außerdem die Bereitschaft an einer weiteren Studie teilzunehmen erhöht. Außerdem wird durch Gamification eine asynchrone Internet-basierte Datenerhebung ermöglicht, welche Forschern erlaubt eine großflächige Probe der Bevölkerung zu nehmen.
Es gibt unzählige Elemente der Gamifizierung, die dazu beitragen, dass ein(e) Teilnehmer(in) eine Aufgabe als ansprechend empfindet. Zum einen gibt es die Einbindung von Avataren, bedeutungsvollen Geschichten und Mitspieler(innen). Dies fördert das Gefühl von Bedeutsamkeit und den sozialen Bezug4. Die Anregung der Wettbewerbsfähigkeit hingegen kann das Verlangen, an einer Aktivität/Aufgabe teilzunehmen, anspornen5. Abzeichen, Ranglisten und Leistungsübersichten erlauben es Teilnehmer(innen) ihren Fortschritt zu sehen und Feedback zu bekommen, welches die Motivation und Teilnahme anregt durch das Erfüllen psychologischer Bedürfnisse2,4,5. Das Bedürfnis nach Selbstbestimmung kann erfüllt werden durch das Gefühl die Kontrolle zu haben5. Dies wird erzielt anhand der Möglichkeit zu entscheiden, wie man mit dem Spiel interagiert, wodurch das Erkunden der Spielwelt ermutigt wird. Zeitdruck und konkrete Ziele/Anweisungen regen die Teilnahme und Motivation an, während die Freiheit zu Scheitern ein risikofreies Umfeld schafft, in dem die Spieler(innen) sich nicht davor fürchten müssen, sich wiederholt an Aufgaben zu versuchen2.
Die Experimente in der zweiten Studie des REGRAMM Projekts werden sowohl als "reguläre" Aufgaben präsentiert (wie in der ersten Studie), als auch in ihrer Gamification-Version. Die beiden Versionen werden am Ende miteinander verglichen bezüglich der Leistungen und Erfahrungen der Kinder innerhalb beider Experimente. Das Ziel dieses Vergleichs ist zum einen die Validierung der Nutzung von Gamification in wissenschaftlichen Studien. Zum anderen soll ermittelt werden, ob die gamifizierten Aufgaben den Kindern besser gefallen haben als die regulären Aufgaben. Die Spielversion wird mit Unity gestaltet, um Spielelemente zu integrieren und die Datensammlung zu ermöglichen. Das Ziel bleibt nach wie vor das Messen von grammatischen Fähigkeiten, exekutiven Funktionen und musikalischer Rhythmusverarbeitung. In bisherigen Studien war es oft der Fall, dass minimale Engagement Strategien angewendet wurden, welche meistens nur die Einbindung einer Hintergrundgeschichte und Zeichentrickfiguren beinhaltet haben. In der REGRAMM Studie hingegen ist das Ziel ein fesselndes Erlebnis zu kreieren, das einem richtigen Videospiel nahekommt. Im Spiel wird eine zielorientierte Geschichte zu finden sein, in der die Kinder mit ihrem eigenen Avatar durch verschiedene Level und Abenteuer fortschreiten. Fortschritt wird im Spiel durch das Fortbewegen in der Spielumgebung gezeigt und bei Spielerfolgen werden visuelle Effekte/Animationen und Melodien/Geräusche abgespielt. Unsere Hoffnung ist es, eine verbesserte Motivation und erhöhte Teilnahme hervorzurufen, sodass die Kinder ein positives Erlebnis haben und eine höhere Datenqualität erreicht wird.
1Lopez-Jimenez, J. J., Fernandez-Aleman, J. L., Garcia-Berna, J. A., Lopez Gonzalez, L., Gonzalez Sequeros, O., Nicolas Ros, J., Carrillo de Gea, J. M., et al. (2021). Effects of Gamification on the Benefits of Student Response Systems in Learning of Human Anatomy: Three Experimental Studies. International Journal of Environmental Research and Public Health, 18(24), 13210. MDPI AG. Retrieved from http://dx.doi.org/10.3390/ijerph182413210
2Wang, Y.-F., Hsu, Y.-F., & Fang, K. (2022). The key elements of gamification in corporate training - The Delphi method. Entertainment Computing, 40, 100463. https://doi.org/10.1016/j.entcom.2021.100463
3Friehs, M. A., Dechant, M., Vedress, S., Frings, C., & Mandryk, R. L. (2020). Effective Gamification of the Stop-Signal Task: Two Controlled Laboratory Experiments. JMIR serious games, 8(3), e17810. https://doi.org/10.2196/17810
4Sailer, M., Hense, J., Mayr, S. K. & Mandl, H. (2017). How gamification motivates: An experimental study of the effects of specific game design elements on psychological need satisfaction. Computers in Human Behavior, 69, 371-380. https://doi.org/10.1016/j.chb.2016.12.033
5Why Gamification is Important & Its Benefits. (2022, November). https://spinify.com/blog/why-gamification-is-important/