Wie Rhythmus und grammatische Fähigkeit zusammenhängt
Die Beziehung zwischen Musik und Sprache ist ein Thema, welches die Forschung seit vielen Jahren beschäftigt. Sowohl Musik als auch Sprache bestehen aus auditiven Reizen, also aus Tönen mit unterschiedlichen Längen und Tonhöhen. Mit anderen Worten: Sowohl das musikalische als auch das sprachliche Signal hat einen Rhythmus und eine Melodie. Darüber hinaus lässt sich die Struktur von Rhythmus und Melodie in der Musik mit ähnlichen Regeln beschreiben wie der Aufbau von sprachlichen Sätzen.
Den Zusammenhang zwischen musikalischen und sprachlichen Fähigkeiten konnten Forscher immer wieder auf der Grundlage der oberflächlichen und strukturellen Ähnlichkeit bezeugen. Das REGRAMM-Projekt konzentriert sich speziell auf die Rhythmusfähigkeit aus dem Bereich der Musik und auf die grammatische Fähigkeit aus dem Bereich der Sprache.
Ein Ansatz, in der Forschung zur Beziehung zwischen Rhythmus und Grammatik, besteht darin, die Zusammenhänge zwischen individuellen Unterschieden in diesen Fähigkeiten zu untersuchen.
Die Grammatikfähigkeit wird häufig mit einer Satz-Bild-Zuordnungsaufgabe gemessen, bei der die Teilnehmer Sätze hören und das zum Satz passende Bild aus mehreren Optionen auswählen sollen. Die Rhythmusfähigkeit kann zum Beispiel mit einer Synchronisationsklopfaufgabe gemessen werden, bei der die Kinder zum Takt verschiedener Musikstücke klopfen müssen. Das Klopfen wird aufgezeichnet, und es kann dann berechnet werden, wie gut sie ihr Klopfen mit dem Takt der Musik synchronisieren. Sowohl die Rhythmus- als auch die Grammatikfähigkeiten weisen in der Bevölkerung beträchtliche individuelle Unterschiede auf, diese individuellen Unterschiede stehen aber auch miteinander im Zusammenhang1,2,3: Personen mit guten Rhythmusfähigkeiten zeigen auch bessere Grammatikfähigkeiten. Dieses Resultat deutet darauf hin, dass es Mechanismen gibt, die sowohl an der Verarbeitung von Rhythmus als auch von Grammatik beteiligt sind.
Eine weitere gängige Methode, um die Beziehung zwischen kognitiven Fähigkeiten zu testen, besteht darin, zu untersuchen, wie sich das Training einer Fähigkeit auf eine andere Fähigkeit auswirkt.
Leider gab es bisher noch keine Anläufe der Verwendung so eines Studiendesigns, um die Beziehung zwischen Rhythmus und Grammatikfähigkeiten zu testen. Es gibt jedoch einige Experimente, die zeigen, dass eine kurze Zurschaustellung eines starken rhythmischen Stimulus die anschließende Grammatikleistung verbessert2,4. Diese Studien - die oft als rhythmische Priming-Studien bezeichnet werden - legen ebenfalls nahe, dass der Verarbeitung von Rhythmus und Grammatik ein gemeinsamer Mechanismus zugrunde liegt.
Um das Verständnis dieser Beziehung zu vertiefen, wurden auch neurowissenschaftlichen Methoden wie der Elektroenzephalographie (EEG) und der funktionellen Magnetresonanztomographie (fMRI) verwendet. Eine Forschungsrichtung unterstreicht die Bedeutung neuronaler Oszillationen sowohl im Bereich der Sprache als auch der Musik. Neuronale Oszillationen (oder auch Gehirnwellen) beschreiben den regelmäßigen Wechsel zwischen höheren und niedrigeren Aktivierungsphasen des Gehirns bei verschiedenen Frequenzen. Langsame Oszillationen ändern den Aktivierungszustand nur ein- oder zweimal pro Sekunde (das ist ein sehr langsames Tempo für das Gehirn), während schnellere Oszillationen ihre Phasen 40 oder sogar 100-mal pro Sekunde ändern. Es hat sich gezeigt, dass langsame Oszillationen auf mehreren Ebenen mit Regelmäßigkeiten sowohl der gesprochenen Sprache, als auch des musikalischen Rhythmus synchronisiert sind. So synchronisieren sich beispielsweise sehr langsame Oszillationen mit den Rändern syntaktischer Phrasen (also des Satzaufbaus), während sich etwas schnellere Oszillationen mit betonten Silben synchronisieren. Die genaue Rolle dieser Synchronisation ist noch unbekannt. Möglicherweise trägt sie dazu bei, das gesprochene-sprachliche oder musikalisch-rhythmische Signal in kleinere Einheiten zu zerlegen, um die Verarbeitung zu erleichtern. Auch könnten diese dabei helfen, die Ressourcen des Gehirns auf einen bestimmten Punkt zu konzentrieren (da diese erschöpfbar und nicht unendlich sind). Auch sehr schnelle Oszillationen spielen nachweislich eine Rolle bei der Verarbeitung von gesprochener Sprache und Rhythmus, und sollen die Kommunikation zwischen Hirnarealen oder die Verarbeitung kleinerer und detaillierter Eigenschaften von Tönen und Phonemen unterstützen.
Ein anderer Forschungsbereich untersucht mittels fMRI, um herauszufinden, welche Hirnareale bei der Verarbeitung gesprochener Sprache und musikalischer Rhythmen aktiviert werden. Hier wurde festgestellt, dass Hirnareale, die für die strukturelle Verarbeitung und Vorhersagen verantwortlich sind, gleichzeitig sowohl bei Rhythmus- als auch bei Grammatikaufgaben aktiviert werden. Dies deutet darauf hin, dass beide gemeinsame Mechanismen teilen.
Es lässt sich also sagen, dass verschiedene Studien darauf hindeuten, dass Rhythmus- und Grammatikfähigkeiten zusammenhängen, es jedoch noch unklar ist, welche Mechanismen miteinander korrelieren. Obwohl das Verständnis der genauen Mechanismen wichtig ist und noch nicht vollständig geklärt ist, kann die Verbindung zwischen Rhythmus und Grammatik genutzt werden, um die Identifizierung und Behandlung von Kindern mit Sprachstörungen zu erleichtern. Künftige Forschung in diesem Themenfeld könnte beispielsweise untersuchen, ob rhythmische Fähigkeiten bei Säuglingen oder Kleinkindern spätere Sprachstörungen vorhersagen können, oder ob die Einbeziehung von Rhythmus in der Sprachtherapie diese verbessern kann. Diese Studie betrachtet primär die praktische Anwendung von Rhythmus, jedoch könnte Rhythmus auch in klinische Tests miteinbezogen werden.
1Gordon, R.L., Shivers, C.M., Wieland, E.A., Kotz, S.A., Yoder, P.J. and Devin McAuley, J. (2015). Musical rhythm discrimination explains individual differences in grammar skills in children. Developmental Science, 18, 635-644. LINK
2Ladányi, E., Lukács, Á ., & Gervain, J. (2021). Does rhythmic priming improve grammatical processing in Hungarian-speaking children with and without Developmental Language Disorder? Developmental Science, e13112. LINK
3Woodruff Carr, K., White-Schwoch, T., Tierney, A. T., Strait, D. L., & Kraus, N. (2014). Beat synchronization predicts neural speech encoding and reading readiness in preschoolers. Proceedings of the National Academy of Sciences, 111(40), 14559-14564. LINK
4Przybylski, L., Bedoin, N., Krifi-Papoz, S., Herbillon, V., Roch, D., Léculier, L., ... & Tillmann, B. (2013). Rhythmic auditory stimulation influences syntactic processing in children with developmental language disorders. Neuropsychology, 27(1), 121. LINK